Sonntag, Januar 28, 2007

Wo beginnen?

Singapur – Tag 1

Die kleinen Fehler des Fremden in für ihn ungewohnter Umgebung: ich versuche allen entgegenkommenden Passanten rechts auszuweichen und erkenne an ihrer routinierten Körperdrehung, dass sie genau das Gleiche vorhaben. Auf meine erste zweispurige Rolltreppe in der Metropole stürme ich voller Elan von rechts heran und sehe die Menschen mir entgegen sinken. Mit einem selbsterkennenden Grinsen wiederhole ich den Vorgang auf der anderen Seite der Absperrung. Mit deutschem hüftsteifem Schritt marschiere ich die lärmige Einkaufsmeile der Orchard Road entlang und übe mich im Slalomlauf um menschliche Torstangen.

(Im Nachbarzimmer streiten sich Mann und Frau in mir noch unbekannter Sprache über alles, was die Ehe an Frust zu bieten hat, vielleicht spielen sie auch nur Tippkick und die Frau kann nicht verlieren.)

Singapur trägt Badelatschen. Für braune, hellbraune, dunkelbraune, olivbraune und australisch behaarte rotverbrannte Füße. Ein ununterbrochenes Schlurfen und Rascheln, das die weichen Schaumsohlen auf dem sauberen Asphalt hinterlassen, dennoch kaum zu hören, weil McDonalds, Burgerking, KFC und der „Century Music“ CD-Laden alle gleichzeitig ihre Jingles in die Welt posaunen wollen.

(Aus dem Nachbarzimmer dringt tatsächlich Japanisch. Wahrscheinlich hat sie von seinen Nebenfrauen Wind bekommen.)

Was esse ich nun am ersten Abend in Singapur? Angesichts der vielen Snackangebote, lokale mir noch unbekannte Namen oder die ubiquitären Fleischkopsimperien, gehe ich eigene Wege: Ich esse ein Stück türkische Quiche. Ich frage den jungen Kellner, nach der genauen Uhrzeit und erzähle ihm, dass mein interner Chronometer noch auf Europäische Winterzeit geeicht ist. Interessiert will er wissen, warum ich nach Singapur gekommen bin und lacht begeistert los als ich ihm vom Staatsfernsehen erzähle. „I see, you gonna be a star lah!“, strahlt er mich an und drückt meine Hand. Nun müsse ich ihm aber auch einen Satz auf Chinesisch sagen, den unbedingt auch seine chinesischstämmige Kollegin hören müsse. Beide schütteln mir begeistert die Hand.

(Japan arbeitet an einem Kompromiss, es ist merklich stiller.)

Ich merke wie sehr die festlandchinesische Prägung meine Aufnahmefähigkeit prägt. Stets sind es die kleinen Dinge die den aufmerksamen Neuankömmling fühlen lassen wie ähnlich und doch anders die Menschen sind. Das Stirnrunzeln einer jungen Chinesen über das Hupkonzert eines weißen Kleinbuses, der zu schnell und zu laut über die dreispurige Straße rast. Habe ich dieses Zeichen der Missbilligung über eine Verkehrsfanfare schon tatsächlich einmal in China gehört?
Viele junge Chinesinnen, die sehr gutes Englisch sprechen, mit amerikanischem Akzent, mit amerikanischer Mimik.
Und dann wie zur Erleichterung der fünfzigjährige Singapurer, der vor dem Marriott Hotel ganz langsam an den zur Selbstdarstellung geparkten Maserati und Mercedes entlangschlendert und im Vorbeigehen jedes Auto dezent auf der Motorhaube berührt.
(Japan hat sich gemeinschaftlich umgebracht oder schläft.)

Und ich bin auch schon ganz schön müde.